„Ah, Resilienz, das ist das mit dem Atmen, das geht ja gar nicht.“ Und: „Ich kann nicht meditieren, weil mich still sitzen nervös macht.“ So zwei Kommentare neulich auf einer Netzwerkveranstaltung, als ich auf die Frage dieser beiden Menschen nach meiner beruflichen Tätigkeit das Wort „Resilienztrainerin“ ausgesprochen hatte.

Ist Resilienz wirklich nur atmen, meditieren, Räucherstäbchen anzünden…? Also das, was viele Menschen als „esoterisch“ bezeichnen?

Schauen wir uns zunächst grundsätzlich an, was der Begriff Resilienz meint: Häufig wird er als Widerstandsfähigkeit übersetzt, nicht nur in der Psychologie und Medizin, sondern auch in der Soziologie und der Physik. Bezogen auf den Menschen beschreibt Resilienz die Fähigkeit von Personen oder Gemeinschaften, schwierige Lebenssituationen wie Krisen oder Katastrophen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen.

Doch wie sieht es mit Resilienztrainings aus? Wie wird die Widerstandsfähigkeit von Menschen überhaupt trainiert?

Wissenschaftliche Grundlagen der Resilienz

Resilienztrainings fußen auf ganz konkreten wissenschaftlichen Grundlagen, vor allem aus der Psychologie und den Neurowissenschaften. Bezogen auf die Aspekte Körper und Kreativität, auf die sich meine Arbeit mit dem Gensiblümchen-Modell konzentriert, ist es zigfach wissenschaftlich nachgewiesen, dass das regelmäßig Ausüben bestimmter Körper- und Kreativitätsübungen die Widerstandskraft eines Menschen deutlich steigern kann. Dazu zwei konkrete Beispiele.

Zuerst schauen wir uns das Gähnen an. Ja, gerade so eine unspektakuläre – und im Arbeitsleben meist ungewünschte – Körperreaktion, hat einen nachgewiesenen positiven Effekt auf die Resilienz eines Menschen. Denn beim Gähnen dehnen sich die Kiefergelenke und die Lippen und alle damit verbundenen Muskeln, Bänder und Nerven. Die Neurowissenschaft (z. B. in „Kopf hoch! Das kleine Überlebensbuch„) hat gezeigt, dass dieser Effekt bis ins Gehirn und dort in den Bereich der Emotionen weitergeleitet wird und sich so der gesamte Körper und die Seele entspannen, manchmal sogar so intensiv, dass die Augen tränen.

Vielfach untersucht ist der Effekt von Bewegung auf das Gehirn. Laut Dr. Manuela Macedonia haben französische Wissenschaftler bei Probanden, die auf einem Ergometer saßen, festgestellt, dass deren Aktivität der kognitiven Kontrolle (im „präfrontalen Kortex“) abnahm und sich die Hirnregionen, die für Multitasking zuständig sind, regeneriert haben. Das bedeutet, dass Bewegung nachweislich den Kopf frei macht.

Und die Hirnforscher haben noch mehr erkannt: Wenn sich das Netzwerk für Multitasking im Gehirn ausschaltet, schaltet sich zugleich das Ruhezustandsnetzwerk („Default Mode Network“) ein. Das ist die Erklärung dafür, dass einem in der Bewegung plötzlich Lösungen einfallen, über die man im Büro länger erfolglos gegrübelt hat. Entgegen unserer Vorstellung ist unser Hirn also höchst aktiv, wenn wir bewusst nichts Denken. Genau dann produziert es wunderbare Ideen und Lösungen. Diesen Effekt kennen viele auch vom in-die-Wolken-Schauen oder vom Duschen.

Diese Tatsache zeigt, dass es sehr viel Sinn macht, das Ruhezustandsnetzwerk viel öfter zu aktivieren, auch in der Arbeitszeit. Und wie wichtig es ist, regelmäßig regenerative Pausen einzulegen, also einfachen Körperübungen zu machen oder ein paar kreative Minuten einzulegen.

Erlernen von praktischen Fähigkeiten für ein resilientes Arbeiten

So landen wir bei Punkt zwei: In Resilienztrainings werden ganz praktische Fähigkeiten vermittelt, wie Menschen ihre Gelassenheit direkt im Arbeitsleben erhalten und verstärken können. Ja, auch das bewusste Atmen als einer von ganz vielen anderen Aspekten gehört dazu, weil Atmen sehr einfach und sehr schnell den eigenen Stresspegel herunterregulieren kann. Aber wem das Atmen nicht liegt, der/die kann sich eine von den zahlreichen anderen Möglichkeiten aussuchen, um wieder in die Ruhe zu gelangen bzw. in dieser bleiben zu können.

Für Meetings, in denen die Anspannung steigt, gibt es ein ganz einfaches Mittel, um die Spannung zu senken: das gemeinsame Winken. (Dessen Wirkung ist auch wissenschaftlich erwiesen.) Was einfach und leicht in den Arbeitsalltag zu integrieren ist, ist das Kreative Schreiben: Also mindestens fünf Minuten durchzuschreiben, ohne eine Schreibpause zu machen. Auch wenn man dann nur schreibt „Ich weiß nicht, was ich schreiben soll.“

Solche einfachen „handfesten“ Übungen zu trainieren und sie so einzuüben, dass sie automatisiert ablaufen, wenn man sich mitten in der Arbeit angespannt und gestresst fühlt, stärkt die Selbstwirksamkeit und die Widerstandsfähigkeit.

Resilienztrainings fördern Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit

Das führt uns zum dritten Punkte: Resilienztrainings zeigen den Teilnehmenden, wie wichtig es ist, dass sie selbst dafür verantwortlich sind, um herausfordernde Situationen gut zu meistern. Sie erkennen im Training, dass sie selbst jederzeit aktiv werden können und sich so selbst auch und gerade unter Druck viel besser selbst steuern können. Es stärkt Mitarbeitende sehr, wenn sie aus der Opferrolle herauskommen und nicht mehr den Chef bzw. die Chefin, den Kollegen bzw. die Kollegin oder das Projekt für ihren Stress verantwortlich machen. Auch die Bedeutung der Selbstwirksamkeit ist wissenschaftlich zuhauf nachgewiesen.

Resilienz ist ein lebenslanger Prozess

Mit dem Aspekt der Langfristigkeit beschließe ich diesen Artikel. Denn: Ein Mensch ist nie fertig damit, seine eigene Widerstandskraft zu trainieren. Resilienz zu trainieren und zu pflegen, ist ein lebenslanger Prozess. In den Trainings erhalten die Teilnehmenden zwar wertvolle Tools, wie sie ihre Widerstandsfähigkeit im Arbeitsalltag stärken, persönlich wachsen und so ihre mentale Gesundheit stärken können. Doch das fruchtet nur, wenn sie die Tools sehr regelmäßig und dauerhaft praktizieren. Nur dann ergibt sich wirklich ein spürbarer Effekt und sichtbare Erfolge!

Wenn Sie sich das Ganze nun nochmal durch den Kopf gehen lassen: Wie sehen Sie das jetzt? Welche Fragen stellen Sie sich? Gibt es aus Ihrer Sicht weitere Missverständnisse?

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung! Eine offene und respektvolle Diskussion kann sicherlich noch für mehr Klarheit und Verständnis für die Bedeutung von Resilienz sorgen.

  1. Liebe Susanne! Dein Artikel macht deutlich, dass wir ein Leben lang auf unser Resilienzkonto einzahlen dürfen, um immer stabil durch den Alltag zu kommen. Und das einfache Fakten belegen, dass es für jeden wirklich Sinn macht. Liebe Grüße Marianne

    1. Susanne Gensinger

      Liebe Marianne,
      herzlichen Dank für Deinen Kommentar! Ja, es gibt einfach keine Abkürzung für ein resilientes, gelassenes Leben. Da hilft nur, sich das immer wieder ins Bewusstsein zu rufen – und Üben, Üben, Üben. Fein, dass Du das auch so siehst!
      Liebe Grüße Susanne

  2. […] „Resilienz-Trainings bringen nichts, da werden eh nur esoterische Dinge gemacht“: Stimmt das wir… […]

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