Weihnachten steht an. Für viele Menschen ein Grund purer Freude! Doch der ein oder die andere fragt sich vor dem Fest: Wie überlebe ich wieder die ganzen Familienfeiern? Wie schaffe ich es, mit Verwandten umzugehen, die so ganz anders ticken als ich? Hierzu habe ich Ihnen zehn hilfreiche Tipps zusammengestellt. So können Sie das Zusammensein im Kreis der Familie mehr genießen und Ihren Verwandten entspannt und wertschätzend begegnen.

1. Stellen Sie sich positiv auf die Feierlichkeiten ein
Die meisten von uns haben an den Weihnachtstagen frei. Wir können frei wählen, wie wir diese Zeit verbringen möchten. Wenn wir uns nun bewusst für diese und jene Familienfeier entscheiden, dann macht es Sinn, dass wir uns positiv darauf einstimmen. Machen Sie sich also im Vorfeld der Weihnachtsfeiertage keine Gedanken darüber, was bestimmte Verwandte, denen Sie sich nicht so verbunden fühlen, wieder sagen und tun könnten. Nehmen Sie sich stattdessen vor, ihnen möglichst offen und unvoreingenommen zu begegnen. So entsteht Raum für eine andere, neue Art der Begegnung. Passend hierzu erinnere ich an die berühmte Geschichte von Paul Watzlawick, in der ein Mann von seinem Nachbarn einen Hammer borgen möchte und sich im Vorhinein so in eigenen Interpretationen und Annahmen verliert, dass er schließlich beim Nachbarn klingelt und ihn anschreit: „Behalten Sie doch Ihren Hammer, Sie Rüpel!“

2. Zuhören!
Um mit Ihren Verwandten wirklich in Kontakt zu kommen und echte Begegnung zu ermöglichen, ist es wichtig, ihnen zuzuhören. Richtig zuzuhören. Sich voll darauf zu konzentrieren, was der andere gerade sagt, ohne zeitgleich zu überlegen, was man antworten könnte. Und: Den anderen ausreden lassen. Dann: Erst einmal atmen und sich währenddessen überlegen, was man sagen und wie man darauf reagieren möchte.

3. Andere Meinungen gelten lassen
Weihnachten ist ein idealer Zeitpunkt, sich immer wieder selbst darin zu üben, die Meinung anderer einfach stehenzulassen, auch wenn man deren Ansicht überhaupt nicht teilt. Also dem anderen nicht sofort seine eigene Meinung deutlich zu machen, sondern stattdessen z. B. einmal bewusst zu schlucken, also bewusst die eigene Spucke herunterzuschlucken und dann zu schweigen. Das ist dem Weihnachtsfrieden enorm zuträglich!
Seien Sie sich bewusst, dass es DIE Wahrheit nicht gibt. Jeder Mensch hat seine eigene Wahrheit, seine eigene Geschichte. Die moderne Hirnforschung belegt sogar, dass jeder Mensch ein wenig anders mit seinen Augen sieht und mit seinen Ohren hört.

4. Etwaige Übergriffe wertschätzend stoppen
Für den hoffentlich seltenen Fall, dass das Gegenüber tatsächlich einmal etwas sagt oder tut, was übergriffig ist, gilt es natürlich, klar und wertschätzend Stopp zu sagen und sich selbst und vor allem anwesende Kinder zu schützen. Wenn also beispielsweise ein anderes Familienmitglied intensiv versucht, Ihnen seine Meinung überzustülpen und nicht locker lässt, können Sie sagen: „Ich sehe das anders. Ich bleibe bei meinem Standpunkt und diskutiere nicht darüber. Bitte höre auf, mich missionieren zu wollen.“ Und wenn das noch nicht genug ist, kann man dem anderen sagen, dass man den Raum verlässt, wenn er bzw. sie nicht aufhört. Wenn diese klaren Worte bei den Verwandten nicht gut ankommen, ist das ok, das gilt es zu akzeptieren. Siehe 3.

5. Geschickt das Gesprächsthema wechseln
Ob ewiger Streitpunkt in der Familie oder ein nerviger Dauerschwätzer, manchmal muss es einfach sein, ein anderes Familienmitglied in seinem ausdauernden Redefluss zu stoppen, wenn die Stimmung bei der Weihnachtsfeier zu kippen droht. Eine Möglichkeit, den anderen wertschätzend zu unterbrechen, ist, eine seiner kurzen Atempausen zu nützen und währenddessen seine zuletzt gesagten Worte zusammenzufassen, beispielsweise „Du findest…/Dir ist wichtig…“. Danach können Sie direkt das Thema zu wechseln: „Dazu fällt mir ein…“ oder „Hast Du das schon gehört?“ oder „Bevor ich es vergesse, Dir zu sagen…“ Meist gelingt so der Themenwechsel elegant und der Weihnachtsfriede kann gerettet werden.

6. Schwierige Themen und Ungeklärtes an den Festtagen möglichst ausklammern
Bekannte Themen, die von unterschiedlichen Verwandten unterschiedlich gesehen werden, gilt es an den Weihnachtstagen möglichst zu umgehen. In vielen Familien ist die „richtige“ Erziehung von Kindern ein Streitpunkt, bei anderen die „richtige“ Ernährung, auch der Umgang mit Krankheiten wird oft heftig diskutiert. Und ganz zu schweigen von Diskussionen über Politik und Religion.
Familienfeiern sind auch kein passender Zeitpunkt, offene Fragen und schwelende Konflikte zu klären. Vereinbaren Sie dafür besser einen Termin im neuen Jahr.
Und sollte jemand anderes in Ihrer Familie doch so einen wunden Punkt ansprechen: siehe 5.

7. Eigene Gefühle spüren, annehmen und wertschätzend verbalisieren
Dieser zentrale Aspekt der Gewaltfreien Kommunikation ist für sehr viele Menschen eine echte Herausforderung. Wenn Sie jedoch bei den Weihnachtsfeierlichkeiten gut auf sich selbst achten und spüren, wie es Ihnen geht, dann nehmen Sie auch rechtzeitig wahr, wenn etwas für Sie nicht mehr passt, sei es zu viel Essen, seien es aber auch die Worte Ihres Gegenübers. Dann ist es hilfreich, wenn Sie kurz innehalten und sich fragen: „Was fühle ich gerade? Reagiere ich auf die Aussage des anderen wütend? Oder macht sie mich traurig? Wie fühlt sich mein Körper in diesem Moment?“ Wenn Sie diese Klarheit über sich selbst gewonnen haben, können Sie dies dem anderen wertschätzend und klar mitteilen. Und auch wenn es nicht so schön ist sich einzugestehen: Es sind die eigenen Gefühle der Wut, der Trauer usw., nicht der andere macht sie, sondern es ist unsere eigene Reaktion auf dessen Verhalten.

8. Atmen, atmen, atmen
Gerade an den Weihnachtsfeiertagen kochen schnell einmal die Gefühle über. Ein allseits bekanntes und bewährtes Mittel zur Eigenregulation, um beispielsweise in sich selbst aufkommende Wut nicht zum Vulkan werden zu lassen, ist: Atmen! Ganz bewusst tief ein- und lange ausatmen. Schon ein einziger Atemzug aktiviert den Parasympathikus, senkt den Puls und bringt ein klein wenig Entspannung. So kann Atmen schnelle, unüberlegte und hitzige Reaktionen verhindern. Das bewusste Atmen können übrigens schon Kinder einüben. Nett ist, wenn dann beispielsweise das Enkelkind der Oma an Weihnachten sagt, sie soll erst mal atmen, bevor sie sich wieder aufregen muss.

9. An die frische Luft gehen und sich bewegen
Eine wunderbare Möglichkeit, etwaige Spannungen bei der Familienfeier abzubauen, ist es, gemeinsam spazieren zu gehen. So löst sich die Sitzordnung auf, die Gehirne bekommen mehr Sauerstoff, überfüllte Mägen können besser verdauen. Und das gemeinsame Gehen bringt eine gemeinsame Blickrichtung und die Menschen kommen in einen Gleichschritt – das zeigen Studien. So fördert Spazierengehen Verbindung und Begegnung, auch ohne viele Worte. Und anschließend lässt es sich an der Weihnachtstafel leichter weiterreden.

10. Genießen Sie die Magie des Weihnachtsfestes
Nehmen Sie sich an Weihnachten die Kinder zum Vorbild: der Glanz in ihren Augen, wenn sie den hell erleuchteten und geschmückten Christbaum das erste Mal sehen, ihr Staunen und ihre Aufregung, wenn sie das Christkind gerade noch um die Ecke huschen sehen. Gerade an den Weihnachtstagen entdecken Kinder überall Magisches. Lassen Sie sich von dieser kindlichen Begeisterung und dem kindlichen Staunen ein wenig anstecken! Versuchen Sie, in manchen Momenten an den Feiertagen ihren Erwachsenenverstand ruhen zu lassen und den Zauber von Weihnachten wirklich zu spüren. Vielleicht können Sie dann immer noch nicht die Feen im Bach sehen, mit denen die Kinder gerade sprechen, aber möglicherweise geschieht ein kleines Wunder und ein Familienmitglied zeigt ganz überraschend eine völlig unerwartete, neue, liebe Seite von sich.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen fröhliche, zauberhafte und entspannte Feiertage mit bereichernden Gesprächen und wahrhaftigen Begegnungen! Genießen Sie diese wundervolle Zeit!