An einem Herbstabend wurde ich in Calw im Schwarzwald zwei Wochen zu früh und noch recht zart geboren. Meine Oma sagte mir einmal, ich wäre sicher schon im Bauch meiner Mutter so neugierig gewesen, dass ich es da einfach nicht bis zu Ende ausgehalten hätte.
Tatsächlich ziehen sich die Neugierde und die Lust auf Leben wie ein roter Faden durch mein Leben und haben so manch scharfe Windung und überraschende Wendungen ergeben.
Was meinen Berufswunsch anbelangt, war ich anfangs recht klar: In der 1. Klasse beschloss ich, Sporttrainerin oder Sportlehrerin zu werden. Das hielt sich so lange, bis ich mit 12 Jahren das erste Mal ein Chorkonzert, das Oratorium Elias von Mendelssohn-Bartholdy, besucht habe und so hellauf begeistert von der Altistin war, dass ich umschwenkte auf Oratoriensängerin. Für einen Teenie so ziemlich die uncoolste Zukunftsvorstellung…
Während meiner Oberstufenzeit hatte ich dann so viele Ideen, was ich werden könnte, dass mir die Entscheidung schwerfiel: Ärztin wäre ein toller Beruf, oder vielleicht doch eher Marketing, Psychologie hat mich fasziniert, oder doch Kirchenmusikerin werden oder Physiotherapeutin…
Was aus all diesen Vorstellungen und Ideen geworden ist und wie meine Reise dann tatsächlich bis heute verlief, können Sie in den folgenden Stationen nachlesen.
- 80er Jahre: In meiner Schulzeit im Schwarzwald bin ich eine Außenseiterin. Ich bin ein ängstliches Kind, das oft ausgelacht wird, dem im Unterricht fiese Zettelchen geschrieben werden und dem dummes Zeug hinterhergerufen wird. Allein und völlig hilflos fühle ich mich. Zum Ausgleich mache ich viel Musik und Sport, das tut mir gut, und hier fühle ich mich gut aufgehoben und voll akzeptiert.
- Ab 1989: Ich bin Organistin, nehme Gesangsunterricht und lerne Chorleitung. Ich genieße es, mit anderen Menschen gemeinsam wunderbare Musik zu machen. Mittlerweile bin ich auch selbstbewusst genug, mich immer wieder vor andere Menschen hinzustellen und mich zu zeigen, sei es an der Orgel im Gottesdienst oder als Chorleiterin. Mich fasziniert es, wie in der Musik ein Zusammenspiel möglich ist ganz ohne Worte, nur über den Körper und dessen Sprache.
- Anfang der 90er Jahre: Ich genieße die Gemeinschaft in der Evanglischen Jugend. Dort organisiere und leite ich Jugendtreffen und -freizeiten. Am liebsten mache ich mit den Teenies wilde Sportspiele und Bergtouren, singe mit ihnen und leite Stilleübungen und Meditationen an. Und ich höre viel zu, was die Kinder und Jugendlichen zu erzählen haben. Es gibt viel zu trösten und es gilt, die Kids zu bestärken.
- 1993: Helikoptereinsatz auf einer Jugendfreizeit. Ein Mädchen kollabiert mitten im Bergsee. Zum Glück ist sie mit einem zweiten Mädchen zusammen, das sie aus dem Wasser zieht. Während eine Kollegin schnellstmöglich zur nächsten Hütte rennt, um die Bergrettung anzufordern, betreue ich die völlig aufgewühlten, ja teilweise fast panischen Jugendlichen. Ich bin einfach da, versuche Ruhe reinzubringen, atme ganz bewusst ruhig und lade die Teenies ein mitzumachen. Langsam nimmt die Spannung ab, Beruhigung tritt ein. Jetzt weiß ich wirklich, was es bedeutet, Verantwortung zu tragen.
- 1995: Eine völlig neue Welt tut sich mir auf! Zum Ende meiner Studienzeit an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg lerne ich die Dozentin Brigitte Zeeh kennen. Sie lehrt uns intensive Körpererfahrungsübungen und expressives und meditatives Malen und Tanzen. WOW. So viel Leib. So viele Emotionen. So viel innere Freiheit. Ich bin völlig hin und weg spüre, dass mich das nie mehr loslassen wird.
- 1996: Das Schulsystem ist mir zu eng, ich gehe. Anstatt das Referendariat zu machen, studiere ich an der Universität Regensburg weiter und haue mich dort in das Thema Ganzheit rein, MEIN Thema. Besonders die Professoren Prof. Dr. Dr. Gerhard Mertens und Prof. Dr. Eckart Balz fordern und fördern mich sehr. Ich lerne viel über Anthropologie, über die Geschichte der Körperzivilisierung, über Konzepte, die die Einheit von Körper, Geist und Seele als Ziel der Identitätsentwicklung sehen und lerne Begriffe wie Achtsamkeit und Authentitzität kennen.
- 1998: Ich steige ins Arbeitsleben ein. Als Dekanatsjugendreferentin des Kirchenbezirks Oberpfalz habe ich jedoch schnell das Gefühl, dass ich hier fast das Gleiche mache wie jahrelang zuvor als Ehrenamtliche in der Evangelischen Jugend. Deshalb höre ich dort nach nur einem Jahr auf.
- 1999: Das Fernsehen ruft! Ich liebe es zu kommunizieren und mache ein Praktikum bei einem Fernsehsender. Etwas für mich völlig Neues, Unbekanntes. Die Tätigkeit an sich taugt mir voll. Mit vielen Kollegen fühle ich mich aber oft nicht so wohl, ich bin zurückhaltender als sie, manchmal ist es mir zu laut und zu überdreht. Die Möglichkeit zur Ausbildung als Nachrichtensprecherin lehne ich ab. Ich gehe wieder zurück in eine pädagogische Anstellung.
- 2001: Ich bin Pressesprecherin der Medizinischen Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz. Meine erste PR-Stelle. Meine Herzensstelle. Es ist mir ein großes Anliegen, die Unternehmenskommunikation so zu gestalten, dass sich die Wahrnehmung der psychiatrischen Patient*innen in der Öffentlichkeit zum Positiven hin verändert und deren Stigmatisierung abnimmt. Die Zusammenarbeit mit vielen Kollegen ist einfach nur großartig, sehr wertschätzend, vertrauens- und humorvoll. Ich spüre, wie sich echte Teamarbeit anfühlt. Und ich entdecke über die Pressearbeit mein Faible für Hirnforschung. Von den forschenden Ärzt*innen kann ich da viel lernen.
- Ab 2003: Eine Freundin nimmt mich das erste Mal mit ins Yoga. Ich bin sofort begeistert davon. Diese Art der Bewegung in Kombination mit bewusster Atmung und Meditation ist neu für mich. Ich spüre, wie sehr ich mich beim Yoga erden und zentrieren kann und wie ich mich dabei entspanne. Und ich mache mich auf den Weg, meinen Perfektionismus für die „richtige“ Bewegung in den Griff zu bekommen. Ein langer, nicht endend wollender Weg…
- 2005: Ich gehe als Pressesprecherin und Bereichsleiterin für Kommunikation zum Städtischen Klinikum München (heute München Klinik), eine der größten Kliniken Deutschlands. Meine Aufgabe ist es dort, nach der Zusammenlegung der ehemals fünf konkurrierenden Häuser die Unternehmenskommunikation zu vereinen, vom Corporate Design über ein gemeinsames Inter- und Intranet bis hin zu allen Broschüren, Flyern, der Mitarbeiterzeitung usw. Bei nahezu 80 einzelnen Klinken ist das eine spannende Herausforderung. Ich lege meinen Fokus darauf, die Beteiligten für das neue große Miteinander zu begeistern und sie zu motivieren, sich darin einzubringen.
- 2008: Meine erste Reise nach Thailand. Ich bin dort trekkend im Primärurwald unterwegs, mitten in der Natur, weit weg von der sogenannten Zivilisation. Genau hier fühle ich mich so sehr zuhause wie noch nie zuvor. Und ich lerne hier den Buddhismus intensiv kennen. Ich fühle mich innerlich sehr angesprochen von der Weisheit dieser Religion und davon, dass für die Buddhisten echte Akzeptanz, das Leben im Hier-und-Jetzt und das Mitgefühl für andere Lebewesen von so großer Bedeutung sind.
- 2010: Ich ziehe nach Graz, nach Österreich, zu meinem Freund. Wir haben uns auf einer Trekkingreise kennengelernt. Als „Ausländerin“ werde ich in Österreich meist mit offenen Armen aufgenommen. Aber ich bekomme auch hin und wieder zu spüren, wie sich Ausländerfeindlichkeit anfühlt. Dadurch lerne ich jetzt, Angriffe klar und wertschätzend zu kontern. Die neue Fremdsprache lerne ich begeistert. Mit dem Wortschatz klappt es gut – Haube, Kasten, Sessel, auffi, owe, zuwie, umi… -, mit der Aussprache leider nicht. 😉
- 2012: Mit der Geburt unserer Tochter beginnt das größte Abenteuer meines Lebens! Es verändert sich alles. Ich genieße die neue Rolle als Mutter sehr. Mit wird nachgesagt, ich würde mein Baby so vollquatschen wie sonst niemand. Ich denke mir eben: Das Kind muss doch wissen, was ich mit ihm mache, es anziehen, wickeln… Na ja, vielleicht wird unsere Tochter deshalb in bereits zweieinhalb Jahren mit dem Diskutieren beginnen… 😉 Jetzt fange ich wieder an, mich mit pädagogischen Fragestellungen auseinanderzusetzen und entsprechende Fortbildungen und Kongresse zu besuchen.
- 2015: Ich mache die Ausbildung zur Kinderyogalehrerin bei Hanna Pessl. Mich fasziniert es, wie man auf spielerische Art und Weise und mit viel Leichtigkeit mit Kindern Yoga machen kann. Hier kann ich mein lebendiges inneres Kind voll ausleben, wir lachen viel, machen Quatsch. Herrlich! Zugleich finde ich den anderen Pol sehr spannend, wie es gelingen kann, für Kinder einen Rahmen zu schaffen, in dem sie ihre eigene Stille spüren und ruhig werden können.
- 2017: Die Ausbildung zur Kommunikationstrainerin am WIFI Steiermark beginnt. Es werden intensive horizonterweiternde Monate mit der Lehrgangsleiterin Gabriela Konrad. Ich spüre, welche drei Themen mir besonders am Herzen liegen: GfK (Gewaltfreie Kommunikation) – Humor (Das war mein Thema bei der Prüfung, und da habe ich auch erstmals auf der Bühne Witze erzählt) – und die Grundannahme für jedwede Kommunikation: „DIE Wahrheit gibt es nicht, nur viele Wahrheiten.“
- 2019: Ich mache mich als Kommunikationsberaterin und -trainerin selbstständig. Bis es soweit war, musste ich monatelang zahlreiche bürokratische Hürden überwinden und viel Hartnäckigkeit an den Tag legen. Hintergrund: Den Großteil meiner Berufserfahrung habe ich in Deutschland gesammelt, und diese wird von den österreichischen Behörden nicht so ohne Weiteres anerkannt. Aber jetzt geht’s endlich los. In meinen Beratungen und Trainings fokussiere ich von Anfang an auf ein gelingendes Miteinander.
- Anfang 2022: Ich singe wieder! Nach 20 Jahren Singpause nehme ich wieder klassischen Gesangsunterricht. Jetzt erlebe ich meine Stimme und meinen Körper beim Singen anders als früher, viel intensiver und feiner. Es berührt mich emotional sehr. Ich erlebe, wie es sich anfühlt, wirklich ganz bei sich zu sein und sich so, ungeschützt und ganz authentisch, auf der Bühne zu zeigen. WOW.
- Heute: Ich bin Gestalterin für ganzheitliche Kommunikation. Bei all der vielen Online-Kommunikation in den letzten zwei Jahren ist mir der ganzheitliche Ansatz in der Kommunikation noch mehr ans Herz gewachsen, deshalb bringe ich diesen nun immer stärker in meine Arbeit mit ein. Denn wenn wir uns kommunikativ weiterentwickeln möchten, dann geht das aus meiner Sicht nur in Präsenz, im direkten Kontakt und in der direkten Auseinandersetzung mit anderen Menschen. Und es ist sehr hilfreich, wenn wir wahrnehmen, wie es unserem Körper in der jeweiligen kommunikativen Situation geht. Schließlich sind wir leibliche, sinnliche Wesen. Uns wieder darauf zu besinnen und die wunderbaren Chancen, die sich daraus ergeben können, zu nutzen, das ist mein großes Anliegen!