„Liebe“ – kaum ein anderes Wort löst im Business so viele Irritationen aus. Es gilt als unprofessionell, zu weich, zu privat, zu schwach, schlichtweg fehl am Platz. Und doch ist es eines der stärksten und positivsten Wörter, die unsere Sprache kennt. Warum also bekommt das Wort „Liebe“ im Business so wenig Raum?

Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Führung, Kommunikation, Kulturentwicklung und Menschlichkeit in Organisationen. Und immer wieder stoße ich dabei auf dieselbe unsichtbare Grenze: Über Vertrauen, Empathie, Wertschätzung oder Achtsamkeit darf und soll man reden – aber über Liebe? Nein, das klingt zu emotional, zu persönlich und für manche zu spirituell oder gar zu esoterisch. Dabei ist Liebe genau die Energie, die uns als Menschen verbindet und die in jedem gelingenden Miteinander mitschwingt.

Was bedeutet „Liebe im Business“?

1. Liebe im Business ist eine starke Haltung, keine Schwäche.
Eine Haltung, die sagt: Ich sehe dich. Und ich weiß, dass wir gemeinsam mehr erreichen, wenn wir uns verbunden fühlen.
2. Liebe im Business schafft Vertrauen, fördert Kreativität und ermöglicht nachhaltigen Erfolg.
3. Wo Liebe fehlt, fehlt Verbundenheit. Wo Verbundenheit fehlt, fehlt Vertrauen. Und wo Vertrauen fehlt, entsteht Kontrolle statt Beziehung.
4.. Liebevoll führen bedeutet, sich selbst und andere mit Wohlwollen zu behandeln, unabhängig von Rolle und Aufgabe.
5. Mikromomente der Liebe – nach Barbara Fredrickson – sind der Herzschlag gelingender Beziehungen.

1. Begegnung mit Barbara Fredrickson

Vor einem Jahr, im November 2024, nahm ich am Kongress „Die Macht der Resonanz“ der Akademie für Kind, Jugend und Familie in Graz teil.
Dort besuchte ich einen für mein Aufgabenfeld relevanten Embodiment-Workshop mit Steffi Bathe (auf dem Beitragsbild links von mir).
In diesem Workshop spürte ich auf körperlicher Ebene, wie sich Liebe und Verbundenheit im Business anfühlen.

Auf diesem Kongress hörte ich auch einen Vortrag von Barbara Fredrickson, einer amerikanischen Psychologin und Forscherin, die den Begriff der „Mikromomente der Liebe“ geprägt hat.
Im Anschluss an ihren Vortrag nutzte ich die Gelegenheit, sie persönlich in einem Vieraugengespräch zu fragen, wie sie in Business-Kontexten einsteigt, um über Liebe zu sprechen, ohne sofort auf Widerstände zu stoßen.
Ihre Antwort:
„I say: We all want to feel good at work and get along well with each other.“

Und wenn sie merkt, dass sich Menschen gegen das Wort „Liebe“ wehren, sagt sie:
„Please reject your concerns only for now. I really don’t want to change your mind. But for the next hour, stay open. And afterwards, you can make up your own opinion.“

Ich habe gespürt, dass sie „meine“ Herausforderung kennt, wenn ich das Wort „liebevoll“ in der Arbeit verwende.
Und ihre Haltung hat mich tief beeindruckt. Sie verbindet Wissenschaft, große Empathie, Offenheit und Demut. Sie schafft damit genau das, was Liebe im besten Sinn ist: eine, manchmal nur kleine, Verbindung zwischen Menschen. Einen Moment gegenseitigen Verstehens. Ein Miteinander-Schwingen, wie es so schön in der Positiven Psychologie heißt.

Als unser Gespräch zu Ende war und ich gehen wollte, sah sie mich an, lächelte, und sagte mit warmer Stimme:„Do it! They need you!“

Diese Worte haben mich so ziemlich „aus den Angeln gehoben“. Sie und das ganze Gespräch mit ihr haben mich so tief berührt wie kaum eine andere berufliche Begegnung zuvor. Und sie sind der Impuls für diesen Artikel.

2. Was sind Mikromomente der Liebe?

Barbara Fredrickson beschreibt Liebe nicht als etwas Großes, Romantisches, sondern als viele kleine Momente der Verbundenheit, als „micro-moments of love“. Es sind die kurzen Augenblicke, in denen wir wirklich in Resonanz mit einem anderen Menschen treten: wenn wir uns verstanden fühlen, gemeinsam lachen, echtes Interesse spüren oder ein wohliges Kribbeln in uns. Das ist sogar in einer kurzen Begegnung mit einem Fremden möglich, zum Beispiel wenn wir jemanden in der U-Bahn kurz anlächeln und er bzw. sie lächelt zurück.

Liebe in diesem Sinne ist kein dauerhaftes Gefühl, sondern ein Prozess: Sie entsteht, wenn zwei Menschen – oder, genauer gesagt: ihre Nervensysteme – sich emotional synchronisieren. Dafür reichen schon ein paar Sekunden.

Diese Mikromomente haben messbare Wirkung: Sie stärken unser Immunsystem, unsere Resilienz und sogar unsere Fähigkeit zu kreativem Denken.

Fredrickson sagt auch:
„What we usually call love are only the products of love.“

Was wir im Alltag mit Liebe verwechseln – Zuneigung, Bindung, Treue oder gar die „große Liebe“ – sind die Ergebnisse vieler solcher Mikromomente. Liebe ist also kein Besitz, sondern ein lebendiger Fluss zwischen Menschen.

3. Ein Blick in die Sprache: Agape, Philia und Eros

Aus meinem religionspädagogischen Studium weiß ich: Die alten Griechen hatten drei verschiedene Worte für das, was wir heute einfach „Liebe“ nennen. Und diese Unterscheidung ist auch im Business-Kontext hochrelevant.

Eros steht für die sinnliche, leidenschaftliche Liebe, die im Arbeitskontext natürlich keine Rolle spielt. Auch wenn Kreativität und Begeisterung manchmal ähnlich energetisch sein können.

Philia bezeichnet die freundschaftliche Zuneigung, das gegenseitige Wohlwollen und die Verbundenheit unter Menschen, die gemeinsame Ziele teilen. In Teams ist Philia die Basis für Vertrauen und Zusammenhalt. Sie lässt und leichter und besser zusammenarbeiten.

Agape schließlich beschreibt eine uneigennützige, mitfühlende Liebe. Sie meint ein Wohlwollen, das unabhängig von Sympathie oder Gegenleistung ist, und richtet sich auf das Gute im Anderen. Sie will ganz einfach, dass es ihm gut geht.

Wenn wir über Liebe im Business sprechen, dann meinen wir vor allem Agape und Philia: die mitfühlende und wohlwollende Kraft, die uns als Menschen verbindet und unserer Gemeinschaft stärkt, jenseits von Rollen, Positionen, Status oder Interessen.

Anselm Grün, Benediktinerpater und Führungskräftetrainer, erklärt Liebe als tiefe Verbundenheit, als Verbindung zu sich selbst, zu anderen Menschen und zu Gott. Im beruflichen Kontext bedeutet das, eine Atmosphäre der Wertschätzung zu schaffen, in der Mitarbeitenden spüren, dass sie wirklich gesehen und geschätzt werden von ihrem Vorgesetzten.

4. Warum das Wort Liebe im Business fehlt

Dass „Liebe“ im wirtschaftlichen Kontext so selten vorkommt, ist kein Zufall. Unsere Arbeitswelt ist historisch geprägt von Rationalität, Effizienzdenken und Leistungsorientierung. Emotionen galten lange als störend oder sogar als gefährlich. Führung sollte „objektiv“ sein und Entscheidungen „nüchtern“. Wer über Gefühle sprach, galt schnell als „nicht professionell“.

Doch dieser Ausschluss des Menschlichen hat Folgen: emotionale Erschöpfung, oberflächliche Kommunikation,
mangelnder Teamgeist und ein Auseinanderfallen von Sinn und Erfolg.

Wo Liebe fehlt, fehlt Verbundenheit. Wo Verbundenheit fehlt, fehlt Vertrauen. Und wo Vertrauen fehlt, entsteht Kontrolle statt Beziehung.

Das Wort „Liebe“ ist unbequem, weil es uns an unsere Verletzlichkeit erinnert. Aber genau darin liegt seine Kraft: Es bringt uns zurück in Beziehung, sowohl zu uns selbst als auch zu anderen.

Eine liebevolle Selbstführung ist die Grundlage, um andere mit Wohlwollen führen zu können

5. Liebe im Business leben: mit dir, im Team und mit anderen

Liebe im Business beginnt immer bei uns selbst.
Denn nur, wenn wir uns selbst mit Wohlwollen behandeln – selbst wenn wir einen Fehler machen oder gar scheitern – können wir anderen mit Empathie, Geduld und Klarheit begegnen. Selbstliebe ist das Gegenteil von Egoismus.

5.1 Liebevolle Selbstführung

Liebevolle Selbstführung heißt, in Verbindung mit der eigenen inneren Stärke zu bleiben – also mit dem, was ich Strahlkraft nenne. Diese Strahlkraft ist kein Konzept, sondern ein Zustand: Wir strahlen, wenn wir in Resonanz mit uns selbst und anderen sind. Genau das ist der Boden, auf dem liebevolle Führung wächst.

Sie zeigt sich in kleinen Momenten:
wenn Sie sich selbst zuhören, bevor Sie reagieren.
Wenn Sie sich Pausen gönnen, statt sich weiter anzutreiben.
Wenn Sie Ihre Verletzlichkeit und Unsicherheit nicht hinter Perfektion verstecken.

Selbstführung bedeutet, den Dialog mit sich selbst so zu gestalten, dass er stärkt statt schwächt. Es ist das Gegenteil von Selbstoptimierung: Es ist Selbstfreundschaft.

5.2 Liebevolle Führung von Teams

Liebevolle Führung von Teams heißt nicht, immer nett zu sein oder Konflikte zu vermeiden. Es bedeutet vielmehr, mit Klarheit und Wohlwollen zugleich zu führen.

Eine liebevolle Führungskraft sieht die Menschen in ihrem Team, nicht nur Rollen und Aufgaben. Sie fördert, fordert und schützt ihr Team. Und sie hat keine Angst, durch Menschlichkeit an Autorität zu verlieren. Im Gegenteil: Ihre natürliche Autorität wächst, weil sie echt ist.

Liebevolle Führung zeigt sich,
wenn Sie wirklich hin- und zuhören,
Lob aussprechen ganz ohne Kalkül,
respektvoll ein ehrliches Feedback geben, damit Ihre Mitarbeitenden persönlich wachsen können und
Entscheidungen erklären, statt sie von oben herab zu verordnen.

So entsteht psychologische Sicherheit. Sie ist die Basis für Kreativität, Lernbereitschaft, Innovation – und Leistungsstärke. Wo Menschen sich sicher fühlen, können sie über sich selbst hinauswachsen.

5.3 Liebevoller Umgang mit der Kundschaft

Auch im Umgang mit Kundinnen und Kunden darf Liebe ihren Platz haben, hier verstanden als ehrliches Interesse und Wohlwollen.

Liebevolle Kundenbeziehungen entstehen, wenn wir Menschen nicht als „Zielgruppen“ sehen, sondern als Mitmenschen mit Bedürfnissen, Sorgen und Träumen. Wer wirklich respektvoll kommuniziert, schafft ein Vertrauen ins eigene Unternehmen, das keine Marketingstrategie der Welt ersetzen kann.

Gerade in Zeiten, in denen immer mehr automatisiert wird, ist Menschlichkeit von großer Bedeutung und ein entscheidender Wettbewerbsvorteil – wenn sie wirklich gelebt wird.

6. Liebe im Business – konkret gelebt

Liebe im Business zeigt sich nicht in großen Worten, sondern in gelebten Gesten und Verhaltensweisen.
Sie wird spürbar, wenn Sie

  • in einem Gespräch wirklich präsent sind.
  • anderen Raum geben, ihre Gedanken in Ruhe zu Ende zu sprechen.
  • Ihr Gegenüber fragen: „Wie geht es dir wirklich mit diesem Thema?“
  • zu Humor einladen, wenn die Spannung im Raum ansteigt.
  • über ein Hoppala lachen, statt sich zu ärgern – egal ob eines von Ihnen oder das eines anderen.
  • Menschen ermutigen, auch Unfertiges und Unperfektes zu zeigen.
  • eine stille Leistung sehen und angemessen würdigen.
  • Fehler mit Milde betrachten.
  • Fehler wirklich als Lernchancen sehen.
  • einfach ehrlich „Danke“ sagen.
  • sich erlauben, innerlich berührt zu sein – und das auch nach außen zeigen.
  • in stressigen Momenten bewusst atmen und wieder in Verbindung gehen, mit sich und mit anderen.

Diese kleinen Akte der liebevollen Achtsamkeit verändern Ihre Beziehungen zu anderen und lassen Sie mehr miteinander resonieren, also miteinander schwingen. Ihr Team wird dadurch lebendiger und Ihre Kommunikation ehrlicher und echter. Und Sie arbeiten besser und mit mehr Freude zusammen.

7. Fazit: Liebe ist eine Führungshaltung

Liebe im Business ist keine Methode und kein Tool. Und sie ist auch nicht einfach ein Soft Skill.
Sie ist eine Haltung. Eine starke Haltung.

Eine Haltung, die sagt: Ich sehe dich. Ich will, dass es dir gut geht.
Und: Ich weiß, dass wir gemeinsam mehr erreichen, wenn wir uns verbunden fühlen.

Diese Haltung verändert uns: wie wir kommunizieren, Entscheidungen treffen und wie wir führen.
Sie bringt Wärme und Flexibilität in starre Strukturen und Sinn zurück in Arbeit, die sonst leer bleibt.

Und sie beginnt in jedem einzelnen Mikromoment, ob mit einem ehrlichen Blickkontakt und einem wirklichen Zu- und Hinhören.

Ich habe lange gebraucht, um den Mut zu finden, über Liebe im Business zu schreiben.
Doch seit jenem Moment in Graz, als Barbara mich mit leuchtenden Augen ansah und sagte:
„Do it! They need you!“,
weiß ich: Es ist an der Zeit.

Wir brauchen mehr Liebe im Business.
Nicht als romantische Idee, sondern als reale Kraft, die uns verbindet und stark macht.
Damit wir gemeinsam all die großen Herausforderungen meistern können, die vor uns liegen.

Denn Liebe ist nicht das Gegenteil von Professionalität.
Liebe ist ihr Herz.

Und genau diese Worte, die Barbara damals zu mir sagte, begleiten mich bis heute.
Sie erinnern mich daran, immer wieder mutig zu sein und über Menschlichkeit und Liebe im Business zu sprechen und zu schreiben.

8. Impuls für Sie

Liebe im Business bedeutet keine Schwäche.
Sie ist vielmehr eine bewusste Entscheidung für Menschlichkeit und ein echtes Miteinander.

Ich lade Sie ein, sich heute eine kleine, aber kraftvolle Frage zu stellen:
Wo könnte ich heute, mitten in meinem Arbeitsalltag, einen Unterschied machen?

Vielleicht durch wirkliches Zuhören?
Ein ehrliches, liebevolles Feedback?
Oder durch ein spontanes Wort der Anerkennung und Wertschätzung?

Denn Liebe im Business zeigt sich nicht in großen Worten oder Gesten,
sondern in den kleinen Momenten, in denen wir uns von Herz zu Herz begegnen.

Wenn Sie möchten, teilen Sie gerne, welche Erfahrungen Sie mit diesem Thema gemacht haben.
Gemeinsam gestalten wir eine Arbeitswelt, in der Erfolg und Menschlichkeit Hand in Hand gehen – freudvoll und verbunden!

Und wenn Sie spüren, dass Sie in Ihrem Team mehr Vertrauen und Verbundenheit leben möchten, dann lassen Sie uns reden – bei einem unverbindlichen, liebevollen Gespräch!💛